Die Diagnosefähigkeit von Lehrerinnen und Lehrern

 

 

Dazu Prof. Peter May, Hamburg, (in „Nach welchen Maßstäben lassen sich Schulleistungen vergleichen“,  HAMBURG MACHT SCHULE, Heft1/2003, s. 4-7):

 

 Einschätzungen von Lehrkräften unterliegen systematischen Wahrnehmungsstereotypien (z.B. Halo- bzw. Ausstrahlungseffekt, klasseninterner Beurteilungsmaßstab, Pygmalion-Effekt), die ihre Vergleichbarkeit einschränken können. Darüber hinaus wirken soziale und emotionale Einflüsse auf die subjektiven Wahrnehmungen und Einschätzungen der Lehrkräfte ein. Insbesondere bei der Beurteilung von Lernprozessen, für die die Lehrkräfte selbst Verantwortung übernehmen – z.B. bei der Einschätzung von Lernfortschritten geförderter Kinder oder bei klassenübergreifenden Leistungsvergleichen – ist auch das Selbstkonzept der Lehrkräfte bzw. die Selbsteinschätzung ihrer eigenen Wirksamkeit betroffen, und diese Tatsache begünstigt– je nach Persönlichkeit – eine Tendenz zur selbstwertdienlichen Überschätzung bzw. „Euphemisierung“ der Lernergebnisse.“

 

 

Prof. Schulte-Körne von der Universität Marburg, Deutschlands unumstrittener Experte in Sachen Legasthenie, formuliert:

 

“Wenn man das Lehrerurteil hinsichtlich der Lese- und Rechtschreibfähigkeit eines Kindes mit der Lese- und Rechtschreibleistung in einem standardisierten Test vergleicht, so ist die Übereinstimmung durchschnittlich nicht größer als 20-30%. D.h., dass das Lehrerurteil über die Lese- und Rechtschreibleistung eines Kindes nur in geringem Maß mit der tatsächlichen Lese- und Rechtschreibleistung, wie sie im Test gemessen wurde, zusammenhängt. Dies führt erwartungsgemäß zu Widersprüchen zwischen dem Lehrerurteil und z.B. einem Fachgutachten“ (in: Elternratgeber Legasthenie. München 2004).