Elternbrief Nr. 22 plus Anlage
07/2013
Unser Kind
wird nach dem Konzept »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der
Anlauttabelle« unterrichtet!
Auf
Wunsch vieler Eltern - in Zusammenarbeit mit betroffenen Eltern:
Anregungen für einen schriftlichen Einspruch gegen den Unterricht nach den Prinzipien »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle«
(J. Günter Jansen)
Vorwort Brief an die Schule |
A) individuell zu
gestaltende Einleitung
B) Formulierung des Anliegens C) individuell zu gestaltender Schlussteil |
Anlage/I: Fachwissenschaftler äußern sich zum Unterricht nach den Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« |
Anlage/II: Wir Eltern konkretisieren unsere Forderungen nach einem Schriftspracherwerbs- unterricht gem. dem aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft |
Immer öfter
baten in den letzten Jahren besorgte Eltern sowohl um eine
Zusammenfassung der Argumentation gegen den Unterricht nach den
unterschiedlichen Konzepten »Schreibenlernen
'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle«* als auch um eine Art 'Musterbrief', an dem sie
sich bei einer geplanten schriftlichen Gegenrede orientieren könnten.
Dank der Mithilfe von Eltern, die sowohl bei der formalen Abfassung als
auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Briefes und der
dazugehörigen 'Anlage'
entscheidend mitgewirkt haben, kann jetzt das Ergebnis vorgestellt
werden. Besonders wichtig war es, dass sich insbesondere solche Eltern
engagierten, die bereits über ihre älteren Kinder Erfahrungen mit den
oben genannten Konzepten des Schriftspracherwerbs gesammelt hatten.
Für die Teile A) und C) des Briefes wird eine individuelle Gestaltung für sinnvoll gehalten. Dabei sollten bereits vorhandene positive Erfahrungen mit der Schule hervorgehoben und die besondere Wertschätzung des Lehrerberufes zum Ausdruck gebracht werden: Bei aller Kritik an den praktizierten Unterrichtskonzepten muss daran gedacht werden, eine Atmosphäre für eine gedeihliche konstruktive Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule vorzubereiten. Im Übrigen sollten je nach Erfordernis/eigenen Erfahrungen/Vorstellungen selbstverständlich auch in allen anderen Teilen des Briefes Änderungen/Ergänzungen vorgenommen werden. Diese Option gilt auch für die Anlage. Anstatt die Anlage in Papierform zu versenden, sollte es auch genügen, auf die Fundstelle im Internet zu verweisen (was hier empfohlen wird): > www.grundschulservice.de/Elternbrief Nr. 22.
Bei der Abfassung dieses Briefes ist zu berücksichtigen, dass zunächst ausgerechnet die Lehrer/innen vor Ort zu Unrecht in die Kritik geraten, wenn es um ihre Unterrichtskonzepte und die daraus folgende Praxis geht. Sie unterrichten nämlich heute durchweg so – und das mit hohem Engagement und nach bestem Wissen und Gewissen - wie sie es an Hochschulen, Lehrerseminaren und auf Fortbildungsveranstaltungen gelernt haben und es ihnen oft sogar vorgeschrieben wird. Gelernt haben viele von ihnen bei Professoren, die nicht durchweg wenigstens irgendein Lehramt studiert haben, die durchaus nicht immer auf eine eigene schulische Tätigkeit verweisen können - die jedoch regelmäßig Jahrzehnte zurückliegt -, die bisweilen nicht einmal ein Fachstudium nachweisen können. "Die Lehren der Professoren sind nicht in der Praxis geerdet!", kritisiert der bekannte Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, und: "Nirgends erfahren Lehramtsstudenten, wie ihr theoretisches Wissen von demjenigen, der es lehrt, konkret angewendet wird." Schlimmer ist, dass solche Professoren, gerade wenn es um den Anfangsunterricht geht, die zukünftigen Grundschullehrer/innen mit ihren praxisfernen Lehren eindimensional indoktrinieren und diese darüber hinaus mitsamt der von ihnen dazu erfundenen Lehr-/Lernmittel über Netzwerke und Verlage verbreiten. Der Unterricht nach dem Unterrichtskonzept »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« hat zudem bei Grundschullehrern/innen dazu geführt, dass sich ihre Arbeitszeit stark ausgeweitet hat: einen nicht unerheblichen Anteil davon müssen sie nun für Reparaturarbeiten bei den methodengeschädigten Kindern aufwenden. Die Schulbürokratie tut ein Übriges dazu, Grundschullehrer/innen von heute heillos zu überfordern. Bei all dem lässt es sich allerdings nicht vermeiden, dass die Lehrer/innen vor Ort die ersten Ansprechpartner der Eltern sind.
Obschon namhafte Sprachdidaktiker, Linguisten, Legasthenie- und Hirnforscher den Unterricht nach den Konzepten' »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle«* für "in die Irre führend" oder "maximal schlecht" halten, greift Elternbriefe-online nicht die Anregungen von Eltern auf, den hier fokussierten konzeptionell und methodisch falsch konstruierten Unterricht auch unter den Aspekten 'Kindesmisshandlung'/'Kindeswohlgefährdung' sowie 'kontinuierliche kognitive und erzieherische Vernachlässigung von Kindern' zu untersuchen: Elternbriefe-online ist weder Rechtsberater noch Ratgeber in juristischen Fragen.
*Mit »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« sind die als risikoreich kritisierten Prinzipien des Konzepts 'Lesen durch Schreiben' (=LdS) gemeint, aus denen z. B. Prof. Dr. rer. soc. H. Brügelmann den sog. 'Spracherfahrungsansatz' herleitete, außerdem diente LdS gem. der Lehre Reichens z. B. als Grundlage für die Materialien/Lehrwerke 'Rechtschreibwerkstatt' (Norbert Sommer-Stumpenhorst), 'Tinto' (Rüdiger Urbanek), 'Lara und ihre Freunde' (Jürgen Reichen), 'ABC Lernlandschaft' (Erika Brinkmann), 'ZEBRA' (Klett-Verlag), 'Konfetti' (Diesterweg-Verlag) sowie für die Materialien von Brügelmann/Brinkmann/(VPM-Verlag).
Anredeformel
A) Individuell gestaltete Einleitung
.....
B) Was uns außerordentlich betroffen macht, ist die Tatsache, dass unser Kind im Rahmen des Schriftspracherwerbs nach Prinzipien unterrichtet werden soll, die den Vorgaben des Konzepts »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« folgen. Gerade mit diesem Konzept haben bereits viele Eltern leidvolle Erfahrungen gemacht. Wir haben Kenntnis davon, dass sich eine große Anzahl betroffener Eltern inzwischen gezwungen sieht, als Privatlehrer den Unterricht im Lesen und Schreiben selbst in die Hand zu nehmen oder für teures Geld ihre Kinder in den professionellen Nachhilfeunterricht zu schicken. Zunehmend warnen namhafte Wissenschaftler aus Grundschuldidaktik, Sprachdidaktik, Linguistik und Hirnforschung vor dem Unterricht nach solchen Konzepten, deren didaktischer Unterbau sich nicht auf die neuere neurobiologische/biopsychologische sowie (schrift-)sprachwissenschaftliche Forschung berufen kann.Einige dieser forschenden Wissenschaftler werden in Anlage/I u. II aufgeführt, auffindbar unter: www.grundschulservice.de/Elternbrief Nr. 22.
Es gibt keinerlei seriöse Studien, die nachweisen, dass mit dem Unterricht nach den unterschiedlichen Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« - verglichen mit dem Untericht nach anderen Konzepten - in der Breite positive Ergebnisse nach Klasse 4 erzielt werden konnten. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt außerdem inzwischen eine ganze Reihe von eindeutigen Belegen dafür, dass die Rechtschreibleistungen seit der Verbreitung der genannten Konzepte vor etwa 30 Jahren in erschreckendem Ausmaß gesunken sind. (Siehe : Claudia Zerahn-Hartung et al./Prof. Dr. Wolfgang Schneider/Dr. Alexander Geist/Prof. Dr. Wolfgang Steinig et al. in: http://www.grundschulservice.de/Elternbrief%20Nr.%2013.htm (Kap. XIX. u. XXI.) sowie in: Prof. G. Thomé: ABC und andere Irrtümer über Orthographie, Rechtschreiben, LRS/Legasthenie. Oldenburg 2013) Vertreter des in die Kritik geratenen Unterrichts nach den Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« bestreiten unterdessen kämpferisch diesen tatsächlichen Sachverhalt.
Heute wird vorausgesetzt, dass der Unterricht methodenvielfältig sein muss. Das ist richtig, weil es nicht die allein seligmachende richtige Methode gibt, die für alle Kinder gleichermaßen wirksam sein kann. Aber jeder Unterricht, der sich nicht auf wissenschaftlich abgesicherte fachdidaktische Konzepte stützen kann, wird auch bei allen noch so durchdachten Korrekturversuchen an diesem Konzept nicht erfolgreich sein können. Der bekannte Hirnforscher Prof. Dr. Dr. M. Spitzer beklagt insbesondere für die Grundschule: "aus dem hohlen Bauch wird alles Mögliche gemacht". Weiter heißt es bei ihm: "Aber wissenschaftliche Grundlagenforschung, also echtes Wissen, in Handlung umgesetzt, so wie man das aus anderen Wissenschaften, wie beispielsweise der Medizin her kennt: Das findet im Bereich von Kindergarten und Schule leider nicht statt, obwohl wir das Wissen haben, es fehlt nur an der Umsetzung." Er beschreibt das uneingeschränkt 'Freie Schreiben' mit der Anlauttabelle, dem keine Korrektur folgen darf, und urteilt: "Und wenn es dann so läuft - und leider läuft es halt oft so, das weiß ich von vielen Schulen -, dann läuft es natürlich maximal schlecht." (Sendereihe PISAplus des Deutschlandfunks/PISAplus, 10.12.11 - Wie Kinder in der Grundschule Schreiben lernen/http://podcast.feedarea.de/podcast290236_dradio-PisaPlus_episodenseite_37.html)
Immer wieder wird darauf verwiesen, dass u. a.
die neue Medienwelt und alles Mögliche sonst noch mit dazu beigetragen
haben, die Rechtschreibleistungen absinken zu lassen. Das muss gar
nicht falsch sein. Wenn aber schon davon ausgegangen wird, dass heute
bei Kindern die Ausgangsvoraussetzungen für den Schriftspracherwerb als
problematisch eingeschätzt werden, halten wir es für nicht
verantwortbar, den Lernprozess zusätzlich auch noch mit falschen
Unterrichtskonzepten wie »Schreibenlernen
'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« zu belasten.
Verstehen
Sie bitte unsere große Sorge davor, dass unserem Kind ein von den
Professoren Schwippert/Bos/Lankes beschriebener schulischer Werdegang
bevorstehen könnte: "Was auf der Ebene der Grundschule nicht
gelingt, lässt sich offenbar - dies zeigen die PISA-Befunde - auf der
Ebene der Sekundarstufe I nicht mehr kompensieren. Vielmehr ist nach
den PISA-Befunden davon auszugehen, dass sich die auf der Ebene der
Grundschule nicht befriedigend gelösten Probleme auf der Ebene der
Sekundarstufe I weiter verschärfen. Insbesondere Schüler und
Schülerinnen, die im Rahmen von IGLU zur unteren Leistungsgruppe
gehören, werden den Anschluss an das Lernen der Sekundarstufe nur mit
Mühe finden und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen Ende der
Pflichtschulzeit zur Risikogruppe zählen." (In: Heterogenität und Chancengleichheit am
Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. 2003) Darüber hinaus wiesen Fachwissenschaftler wie
Prof. Klicpera et al. schon 1993 in der 'Wiener Längsschnittstudie'
nach, dass kaum ein Schüler, der zu Beginn der 2. Klasse Lese- und
Rechtschreibschwierigkeiten aufwies, in der 8. Klasse durchschnittliche
Leistungen erzielte. (Ch.
Klicpera/B.
Gasteiger Klicpera: Psychologie der Lese- und Schreibschwierigkeiten,
Weinheim 1998) Mit solchen Berichten aus der
Forschung stehen
diese Sprachdidaktiker allerdings schon lange nicht mehr alleine da.
Auf die möglichen Folgen bei Kindern mit Minderleistungen in der Rechtschreibung weist auch Prof. Dr. Schulte-Körne vom Klinikum der Ludwig-Maximilian-Universität München, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, hin (Prof. Dr. Gert Schulte-Körne: Elternratgeber Legasthenie. München 2004):
Sollte unser
Kind in der Grundschulzeit nicht den Weg in die Systematik der
Rechtschreibung finden, müssen wir - nach dem, was die Wissenschaft
sagt - folgerichtig zunächst davon ausgehen, dass der Unterricht nach
wissenschaftlich nicht abgesicherten Konzepten für das Versagen unseres
Kindes verantwortlich zu machen ist. Keineswegs würden wir dafür den
Lehrern die Schuld geben. Es ist hinreichend bekannt, dass es nicht
wenige Hochschullehrer/innen gab/gibt, die mit ihrer Lehre einseitig
das Konzept »Schreibenlernen 'nach Gehör' und mit der Anlauttabelle«
geradezu indoktrinierend verbreiteten und die Lehrerseminare die
Ausbildung in diesem Sinne fortsetzten. Zu nennen seien auch die von
der Bildungsindustrie finanzierten Fortbildungsveranstaltungen, die
solche Lehren in die Schulen lancierten. Vielfach wurden sogar
Lehrerinnen/Lehrer dazu verpflichtet, nach diesen sog. modernen
Unterrichtsmethoden zu unterrichten. Wir erkennen an, dass es
Lehrerinnen/Lehrer gibt, die rechtzeitig die Schwächen dieses falschen
Konzepts erkennen und daher versuchen, korrigierend einzugreifen.
Allerdings ist auch bekannt, dass bei einer außerordentlich hohen Zahl
von Kindern zu spät beginnende Fördermaßnahmen dann oft nur noch den
Charakter eines Reparaturversuchs haben können.
Ausdrücklich distanzieren wir uns von der Lehrerschelte des Professors Brügelmann, der das Konzept »Schreibenlernen 'nach Gehör' und mit der Anlauttabelle« nach der Vorgabe von J. Reichens 'Lesen durch Schreiben' zu seinem 'Spracherfahrungsansatz' weiterentwickelte und über Netzwerke (Ute Andresen in: taz 16.02.2011/taz 09.02.2011) in die Schulen lancierte: "In der Praxis wurden und werden fruchtbare methodische Ansätze zum Teil nicht konzepttreu und oft auch nicht kompetent umgesetzt. In der Hoffnung auf einfache Rezepte wird oft übersehen, dass Unterricht keine Technik ist und sein Erfolg in hohem Maße von der pädagogischen Haltung und der Kompetenz der Lehrperson abhängt."
(http://shiftingschool.files.wordpress.com/2013/07/brue-eichler-konsenspapier_lesen_schreiben-sea-kurz-130717.pdf/28.07.2013)
Diesen Vorwurf halten wir Eltern für ungeheuerlich. Derart eindeutige Schuldzuweisungen haben das Potential, uns als Eltern aufzuwiegeln gegen die Lehrer/innen vor Ort, die sich oft unter recht schwierigen Ausgangsbedingungen mit solch irreführenden Unterrichtskonzepten abmühen (müssen): Schließlich sind es die Schuldzuweisungen von jemandem, der nie ein Grundschullehramt studierte und daher nie als Grundschullehrer tätig war, der nie ein einschlägiges Fachstudium absolvierte, das ihn zur Konstruktion eines Schriftspracherwerbskonzepts befähigt hätte. (http://www.grundschulservice.de/Elternbrief%20Nr.%2013.htm/Kap. XVI.) Der brügelmannschen Argumentationslinie folgen inzwischen weitere Autoren solcher Konzepte. Sie lehnen dabei jede Verantwortung ab, betreiben eine Art von Selbstimmunisierung und beharren darauf: Das Konzept »Schreibenlernen 'nach Gehör' und mit der Anlauttabelle« folgt einem "fruchtbaren methodischen Ansatz", wenn der Unterricht danach nicht erfolgreich ist, fehlt es an der "pädagogischen Haltung und der Kompetenz" der Lehrpersonen.
Wir legen
Wert darauf, dass unser Kind in der Schule Rechte erhält, wie sie
Patienten in der Medizin bereits haben: Zu den wichtigsten
Patientenrechten gehört immerhin das Recht auf sorgfältige
Heilbehandlung gemäß dem aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft:
Ärztliche und pflegerische Leistungen sind nach dem aktuellen
Erkenntnisstand der Medizin bzw. der Pflegewissenschaft zu erbringen.
Das heißt für die Schule: Unterricht nach dem aktuellen Erkenntnisstand
von Sprachdidaktik, Linguistik und Hirnforschung. So möchten wir nicht,
dass unser Kind z. B. mit Materialien unterrichtet wird, die sich an
einer längst überholten Didaktik orientieren (Siehe:
http://www.grundschulservice.de/Elternbrief%20Nr.%2020.htm!). Wir denken auch, dass Unterrichtswerke von
vornherein indiskutabel sind, wenn sie so beworben werden: "Grundlage der
Materialien in der Lehrwerksreihe ist die Idee, dass Kinder sich den Weg in die Schriftsprache
weitgehend selbstständig erarbeiten können." Solche Formulierungen legen den Schluss nahe,
dass es sich bei dem Unterricht mit diesem Lehrwerk um ein
fortwährendes Experiment handelt.
Wir Eltern wissen natürlich aus eigener Beobachtung sehr gut, dass die Belastungen der Lehrerinnen/Lehrer insgesamt um ein Vielfaches gewachsen sind. Wir verstehen aber auch, wenn enttäuschte und besorgte Eltern Frau Prof. Dr. Christa Röbers Beurteilung aufgreifen und das unangemessen passive Lehrerverhalten in gewissen Phasen des Unterrichts nach den Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle«, z. B. bei der Arbeit mit der Anlauttabelle«, als "unterlassene Hilfeleistung" anprangern, sie in ihrer Not schließlich sogar geneigt sind, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. (in: http://www.planetopia.de/archiv/Prof. Dr. Christa Röber/21.11.2011) Wir können überhaupt nicht nachvollziehen, dass unser Kind nach solchen Konzepten unterrichtet werden soll, die von Seiten der forschenden Wissenschaft z. B. als "maximal schlecht" beurteilt werden.
Es ist sicherlich zu verstehen, dass die jüngsten deutlichen Warnungen der Professoren aus Grundschuldidaktik, Sprachdidaktik, Linguistik und Hirnforschung uns sehr beunruhigt haben. In >Anlage/II< konkretisieren wir unsere Einwände gegen das Konzept »Schreibenlernen "nach Gehör u. mit der Anlauttabelle« und orientieren uns dabei an der kritischen Beurteilung der in >Anlage/I< genannten Wissenschaftler ebenso wie an deren Veröffentlichungen (Siehe Liste!). Wir gehen im Übrigen davon aus, dass in der Regel ein Lehrerkollegium erst nach sorgfältiger Prüfung darüber entscheidet, ob ein Unterrichtskonzept - hier »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« - geeignet ist, dass sich daraus ein für alle Kinder besonders erfolgreicher Schriftspracherwerbsunterricht entwickeln lässt. In Anbetracht der vehementen Kritik von Seiten der Wissenschaft an diesem Unterrichtskonzept erheben wir jedoch den Anspruch, dass aus unserer bzw. aus der Argumentation der forschenden Wissenschaft die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden und zum Schutz unseres Kindes Unterrichtskonzepte nach den Prinzipien »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« nicht mehr eingesetzt werden. Gegebenenfalls bitten wir Sie, uns von Ihrer Argumentationslinie, die zur Ablehnung der unbestrittenen Forschungsergebnisse namhafter Wissenschaftler führte, in Kenntnis zu setzen. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir aus nahe liegenden Gründen große Bedenken gegen eine Argumentation derer haben, die selber als Autoren oder irgendwie als wirtschaftliche Nutznießer bei der Herausgabe von Materialien zu den Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« in Erscheinung treten.
C.) Schlussgedanken mit individuell zu gestaltendem Schlussteil
Wir wenden uns an Sie, die Lehrerinnen und Lehrer
an dieser Schule, weil Sie unsere ersten Ansprechpartner und die
Verantwortlichen vor Ort bezügl. der hier angesprochenen Problematik
sind. .....
Schlussformel
Anlagen/im Internet zu finden unter: http://www.grundschulservice.de/Elternbrief Nr. 22
Anlagen:
I.: Fachwissenschaftler äußern sich zum Unterricht nach den Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle«
II.: Wir Eltern konkretisieren unsere Forderungen nach einem Schriftspracherwerbsunter-richt gem. dem aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft
I.:
Fachwissenschaftler äußern sich zum
Unterricht nach den Konzepten »Schreibenlernen 'nach Gehör'
u. mit der Anlauttabelle«
Prof. Dr. Christa Röber, Professorin für
sprachlichen Anfangsunterricht an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, sagt: „Den Misserfolg von LdS (= 'Lesen durch
Schreiben')
sieht man daran, dass die Rechtschreibung der Deutschen seit 20 Jahren
immer schlechter geworden ist.“ Dieser 'Unterricht' ist
schädlich, weil er verhindert, die Kinder "und das ist lerntheoretisch
gravierend - Orthographie als ein Regelsystem, das erkundbar ist,
wahrnehmen zu lassen." Sie haben "Schreiben nicht als
kognitive Aufgabe kennen gelernt, die von Anfang an über einen
regelbasierten Wissensaufbau zu lösen ist.“ Die Folge ist, dass "die zu Beginn des
Lernprozesses erworbene Lautfixierung der zentrale Faktor" des Schreibens bleibt. (Prof. Christa Röber
in: Renate Valtin/Bernhard Hofmann (Hrsg.): Kompetenzmodelle der
Orthographie. Berlin 2009)
Der Deutsch-Didaktiker Prof. Dr. J. Ossner
(em.): „Nichts wäre also
fataler, als das Deutsche als eine Schrift zu beschreiben, die nach dem
Grundsatz Schreib, wie du sprichst! verfährt.“/"Die deutsche Schrift gehört zu den
alphabetischen Schriften. Dies bedeutet, dass es eine irgendwie
geartete Beziehung zwischen Lauten und Buchstaben gibt. Jeder weiß aber, dass eine Maxime wie
'Schreib, wie du sprichst!' im Deutschen in die Irre führt." (Prof. Dr. Jakob Ossner: Sprachdidaktik
Deutsch, Paderborn 2006)
Prof. Dr. Dr. Onur Güntürkün, Biopsychologe an der Ruhr-Uni-Bochum, präzisierte: "dass man Kinder zunächst frei schreiben lasse und erst später Rechtschreibung vermittele, widerspreche auch dem, was man heute über Lernprozesse im Hirn wisse, denn «Umkehrlernen dauert länger und erhöht die Fehlerquote.»" (Kölner Stadtanzeiger vom 24. 04. 2012)(Prof. Dr. Dr. Onur Güntürkün: Biologische Psychologie. Göttingen, Bern, Wien, Paris, Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm 2012) LdS (=Lesen durch Schreiben) hält er deshalb für falsch.
Der Hirnforscher Prof. Dr. Henning Scheich vom Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg hält das Vorgehen nach den Methoden rund um das Reichen-Modell für "völlig verrückt": "Wie kann man das Wesen des prozeduralen Lernens nur so verkennen?" (in: Spiegel 25/2013)
Prof. Dr. Renate Valtin, Professorin für Grundschulpädagogik an der Berliner Humboldt-Universität, würde die Methode am liebsten verbieten: „Sie ist ein Risiko, besonders für Kinder mit Migrationshintergrund und für Schüler aus bildungsfernen Milieus.“ (Der Tagesspiegel vom 22.03.2012) - In Ratgeberteil von Bild am Sonntag (Ausgabe vom 20. 10.2013) erklärt sie: "Bei Akademiker-Kindern funktioniert die Methode zwar, aber nur, weil zu Hause nachgeholt wird, was die Schule verbockt." "Wenn man Expertin Valtin nach dem Patentrezept fürs Lernen fragt, sagt die gebürtige Sauerländerin: «Die Fibel, die in der DDR verwendet wurde, war hervorragend.» [.....] Letztlich beruhe auch die von ihr mitentwickelte „Fara und Fu“-Fibel auf dem Konzept aus dem Osten." (ebd.) Prof. Renate Valtin darüber hinaus: „Mit LdS (= 'Lesen durch Schreiben') geht wertvolle Unterrichtszeit verloren“. (Kölner Stadtanzeiger vom 24. 04. 2012)
Prof. Dr. Agi Schründer-Lenzen, Professorin für Grundschulpädagogik an der Universität Potsdam, bezeichnet den Unterricht danach als: “schlichtweg falsch“. Sie fragt sich auch, wie LdS (= 'Lesen durch Schreiben') ohne Prüfung in die Schulen gelangen konnte. (Kölner Stadtanzeiger vom 24. 04. 2012) Prof. Agi Schründer-Lenzen warnt zurecht davor, sich als Lehrerin damit zu begnügen, Kinder immer wieder aufzufordern, genauer hinzuhören, denn Lernfortschritte seien so nicht zu erwarten. An anderer Stelle rät sie dringend: „Anlauttabellen als zentrales Unterrichtsmittel, den Kindern Einsicht in die Struktur der Schriftsprache zu vermitteln, sind daher ungeeignet, weil damit gerade jenen Kindern, die unter ungünstigen Bedingungen der Lernausgangslage in den Schriftspracherwerbsprozess eintreten, ein inadäquates Lernmittel in die Hand gegeben wird. Dieses Fazit lässt sich durch empirische Forschungsbefunde absichern". (Prof. Dr. Agi Schründer-Lenzen: Schriftspracherwerb und Unterricht, Opladen 2004)
Der Münchner Jugendpsychiater und
Legasthenie-Experte Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne "hält den Glauben an die
Wunderkraft der Anlauttabelle für unheilvoll."(in: Spiegel 25/2013)
Prof. Dr. Astrid Müller, Professorin für Sprachdidaktik, Universität Hamburg: Sie weist mit unmissverständlichen Worten darauf hin, dass die Vorstellungen Brügelmanns sowie der anderen Vertreter der Konzepte »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle«, die Rechtschreibung sei kein logisches System, völlig falsch ist. Dabei bezieht sie sich auf die Forschung aus Sprachdidaktik und Linguistik, u. a. auf den renommierten Linguisten und Verfasser des Grammatik-Dudens Prof. Dr. Eisenberg (em.), der klarstellt: "Diese didaktische Sicht, die als Ergebnis einer fehlenden (schrift-)sprachwissenschaftlichen Fundierung betrachtet werden muss, spiegelt sich in verschiedenen didaktisch-methodischen Konzeptionen und in vielen Unterrichtsmaterialien wieder." (Prof. Dr. Astrid Müller: Rechtschreiben lernen. Seelze 2010/Prof. Dr. Peter Eisenberg: Das Wort - Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart - Weimar 2006)
Die Professoren U. Bredel, A. Müller und G.
Hinney: „Überall finden sich
Ad-hoc-Vorschläge darüber, wie eine Schriftvermittlung aussehen könnte,
bis zur Aufwertung der völligen
Systemlosigkeit, wie sie durch den
Leselehrgang ’Lesen durch Schreiben’ (Reichen) initiiert wurde und wie
sie sich unter dem falsch verstandenen Paradigma des
»individualisierten und eigenverantwortlichen Lernens« epidemisch an
den Schulen verbreitet hat.“
(U. Bredel/A.
Müller/G. Hinney: Schriftsystem und
Schrifterwerb/linguistisch-didaktisch-empirisch. Berlin/New York
2010/U. Bredel/Nanna Fuhrhop/Christina Noack: Wie Kinder lesen und
schreiben lernen. Tübingen 2011)
Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer (Gründer des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen, Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, kognitiven Neurowissenschaft und Psychiatrie, Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte in den USA, u. a. Harvard University sowie am Institute for Cognitive and Decision Sciences der University of Oregon) hält diese Methoden für "natürlich maximal schlecht". - ".... und aus dem hohlen Bauch wird alles Mögliche gemacht", ... ...(Sendereihe PISAplus des Deutschlandfunks/PISAplus, 10.12.11 - Wie Kinder in der Grundschule Schreiben lernen/http://podcast.feedarea.de/podcast290236_dradio-PisaPlus_episodenseite_37.html
Prof. Slavin weist bereits 1998 darauf hin, dass Offener Unterricht zu Lasten des Lernfortschritts beim Lesen, Schreiben und Rechnen geht und dem Lernfortschritt gewisse Grenzen gesetzt sind. (Educational Psychology: Theory into practice. Englewood Cliffs 1988)
Die Professoren Ch. Klicpera/B. Gasteiger Klicpera: Gerade für den Anfangsunterricht wird schon länger mit eindeutigen Aussagen von der Überlegenheit traditioneller Unterrichtsformen berichtet (in: Ch. Klicpera/B. Gasteiger Klicpera: Psychologie der Lese- und Schreibschwierigkeiten. Weinheim 1998): “Wenn am Ende der 1. Klasse die Auswirkungen der beiden Unterrichtsarten auf den schulischen Fortschritt der Kinder bestimmt wurden, zeigte sich ein klarer Vorteil des traditionellen Unterrichts“.
Prof. Wolfgang Schnotz, pädagog. Psychologie, formuliert dezidiert: „Beim Erwerb von Grundfertigkeiten wie Lesen,Schreiben und Rechnen sind dem Offenen Unterricht relativ enge Grenzen gesetzt“ (in: Pädagogische Psychologie. Weinheim 2006).
Literaturliste/benutzte
Literatur:
II.: Wir Eltern konkretisieren unsere Forderungen nach einem Schriftspracherwerbsunter-richt gem. dem aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft:
● Immer wieder berufen sich Lehrerinnen und Lehrer auf ihre Methodenfreiheit im Unterricht, sie sei ein hohes Gut, so heißt es. Dem stimmen wir uneingeschränkt zu, das sollte auch so bleiben. Konzepte wie 'Lesen durch Schreiben'/»Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« sind jedoch nicht so ohne weiteres den Methoden zuzurechnen. Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerbsunterricht sind in erster Linie didaktische Konzepte, an deren Entwicklung wesentlich die betreffenden Fachwissenschaften beteiligt sein müssen. Die Vertreter von 'Lesen durch Schreiben'/»Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« und der daraus entwickelten speziellen Methodik vermeiden es jedoch, sich auf aktuelle Forschungsergebnisse aus der Sprachwissenschaft und der Hirnforschung zu beziehen: Sie berufen sich auf "Annahmen" und auf Behauptungen, die kaum auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können, oder auf die Ergebnisse aus Studien, die bedenkenlos interessengeleitet dargestellt werden. Der heutige sog. moderne Unterricht fokussiert mit höchstem Stellenwert die "Selbstorganisation des Wissens", hinderliche Forschungsergebnisse aus den Fachwissenschaften und der Hirnforschung werden dabei regelmäßig per Definition aus dem Wege geräumt. So kommt es, gerade im Schriftspracherwerb, immer wieder dazu, dass Kinder sich falsches Wissen aneignen und sich bei ihnen verhängnisvoll auswirkende Routinen verfestigen. Davor müssen unsere Kinder geschützt werden!
● Unsere Rechtschreibung wird heute verstanden als ein geordnetes System mit drei Ebenen: Prinzipien als allgemeine Grundkonzepte der Schreibung, Regeln, die ohne die erforderliche Benutzung weiterer Hilfsmittel zu einer eindeutigen Lösung führen, Einzelfestlegungen, für die zwar allgemeine Regeln fehlen, die aber letztlich auch auf Prinzipien beruhen. Die heutige falsche Didaktik »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« schreibt hingegen den Lehrenden vor, "den Schülern die geltende Rechtschreibung möglichst wirksam bei[zu]bringen, ohne so zu tun, als ob dies ein logisches unveränderliches System sei". (Prof. Dr. H. Brügelmann: Kinder auf dem Weg zur Schrift. Konstanz 1983). Auf dieser schon lange widerlegten Lehre, die Rechtschreibung sei kein logisches System, darf heute kein Schriftspracherwerbsunterricht mehr aufbauen. Wir Eltern erwarten daher, dass moderner Unterricht von Anfang an sprachsystematischen Gesichtspunkten folgen muss, was aber keineswegs mit sturem Pauken von Regelwissen gleichzusetzen ist. Der Deutsch-Didaktiker Prof. J. Ossner wird nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen: „Nichts wäre also fataler, als das Deutsche als eine Schrift zu beschreiben, die nach dem Grundsatz Schreib, wie du sprichst! verfährt.“ Für die Wissenschaft steht schon lange unbezweifelbar fest, was Prof. Ossner an anderer Stelle für sämtliche heute bedeutsamen Didaktiker formuliert: "Die deutsche Schrift gehört zu den alphabetischen Schriften. Dies bedeutet, dass es eine irgendwie geartete Beziehung zwischen Lauten und Buchstaben gibt. Jeder weiß aber, dass eine Maxime wie 'Schreib', wie du sprichst!' im Deutschen in die Irre führt."
● Von Anfang an darf den Kindern nicht
vermittelt werden, die Schrift sei ein Abbild der Lautsprache. Selbst mit Hilfe einer wirklich
guten Anlauttabelle können
höchstens nur etwa 7% der
deutschen Wörter, da nur bei dieser geringen Anzahl von Wörtern
eine Phonem-Graphem-Korrespondenz von 1:1 vorzufinden ist, korrekt verschriftet werden. Tatsächlich
ist nämlich das Schreiben der meisten Wörter im Deutschen nur für einen geübten Schreiber
scheinbar lautgetreu. So darf auch schon für Schreibanfänger
grundsätzlich die Regel "Schreib', wie du sprichst!" nicht mehr als
Maxime gelten. Damit erhält auch der Einsatz der (An)Laut- bzw.
Buchstabentabellen, der ohnehin auch wegen der konzeptionellen Mängel
nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung erhalten darf, einen neuen
Stellenwert. Es ist nicht hinzunehmen, dass Kinder mit Hilfe
von ungeeigneten Arbeitsmitteln wie (An)Laut- bzw. Buchstabentabellen sogar
Texte verfassen sollen. Prof. Dr. Agi Schründer-Lenzen, Professorin für Grundschulpädagogik, warnt: „Anlauttabellen als zentrales
Unterrichtsmittel, den Kindern Einsicht in die Struktur der
Schriftsprache zu vermitteln, sind daher ungeeignet, weil damit gerade
jenen Kindern, die unter ungünstigen Bedingungen der Lernausgangslage
in den Schriftspracherwerbsprozess eintreten, ein inadäquates
Lernmittel in die Hand gegeben wird. Dieses Fazit lässt sich durch
empirische Forschungsbefunde absichern." Andere
Fachdidaktiker lehnen den Einsatz von (An)Laut- bzw. Buchstabentabellen
als "unheilvoll"
oder "schädlich" grundsätzlich ab. Sie halten es zudem für eine ernst
zu nehmende Überforderung schreibunkundiger Erstklässler, sie mit Hilfe
eines untauglichen Arbeitsmittels Lautsprache in eine Schrift
übersetzen zu lassen, die nicht Abbild der Lautsprache sein kann.
Entdecken Kinder
schließlich - mit wessen Hilfe auch immer - , dass sie sich mit der
Anlauttabelle weder der orthographisch richtigen noch auf Dauer einer
wenigstens irgendwie lesbaren Verschriftung nähern können, mögen sie,
da demotiviert, an einem solchen 'Unterricht' nicht mehr aktiv
teilnehmen.
Nichts dürfte gegen den
Einsatz von (An)Laut- bzw. Buchstabentabellen für
einen sehr eng bemessenen
Zeitraum von etwa einigen Wochen einzuwenden sein, in dem die Kinder
mit ausgesuchten Wörtern mit lauttreuer Verschriftung
an die Lautorientierung der Schrift bzw. an die irgendwie vorhandenen
Relationen zwischen Schriftsystem und Lautsystem herangeführt werden,
die in Wirklichkeit außerordentlich vielschichtig und z. T. verwickelt
sind und von einem Schreibanfänger überhaupt nicht durchschaut werden
können. Es darf außerdem nicht mehr
die Auffassung gelten, dass Kinder ihre Schreibkompetenzen dann am
besten entwickeln, wenn sie möglichst lange in einem regelfreien Raum
verbleiben. Von Anfang an muss den Kindern ein
sprachsystematischer Unterricht erteilt werden. In der Schrift bestehen
tatsächlich Regelmäßigkeiten, die bereits in den ersten Wochen des
Anfangsunterrichts für die Schüler durchschaubar gemacht werden können.
Sprachsystematischer Unterricht ist
jedoch nicht mit dem Auswendiglernen von Regeln gleichzusetzen.
Abzulehnen sind die Vorstellungen Brügelmanns, der mit seiner Erfindung
des weit verbreiteten Spracherfahrungsansatzes den Prinzipien von
'Lesen durch Schreiben' folgt: "Wie Jürgen Reichen, [der Urheber der
Methode „Lesen durch Schreiben“] und viele andere sehe ich im
Übersetzen der eigenen Aussprache in Buchstaben den Schlüssel für
Kinder, um unser Schriftsystem zu verstehen. [.... ] Anders als Reichen
bin ich allerdings dafür, dass Schulanfänger sich auch mit der
Orthographie als der 'Buchschrift' oder der 'Erwachsenenschrift'
auseinander setzen." (Brügelmann in:
Reinhard Kahl im Gespräch mit Hans Brügelmann. [Abruf ab 24.3.2006]) Brügelmann fordert ohne Unterlass selbstbestimmtes und
selbstgesteuertes Lernen für seinen radikal gedachten Offenen
Unterricht, folglich auch, "dass Schulanfänger sich auch mit der
Orthographie als der 'Buchschrift' oder der 'Erwachsenenschrift' auseinander
setzen." Einen so gedachten und leider
auch oft praktizierten Unterricht, der gegen grundlegende
wissenschaftliche Befunde verstößt, lehnen wir ohne Einschränkungen ab.
Vernachlässigt wird die Tatsache, dass die Beherrschung einer
Schriftsprache keineswegs ein Naturgut ist, Kinder sich die
Schriftsprache also nicht irgendwie selber aneignen, sondern dass diese
Kulturtechnik als ein Wissen von Lehrern vermittelt werden muss. Die
Kulturtechnik 'Schrift' gibt es seit etwa fünf- bis sechstausend
Jahren. Die Annahme, dass Schulanfänger die erst nach und nach
entwickelte Systematik der Schrift sich selber kreativ "entdeckend"
erarbeiten oder sich selbstgesteuert mit dieser "auseinander setzen"
könnten, ist abwegig. Die Beherrschung einer Schriftsprache
ist kein Naturgut, es sind Wissen und Können, die als Kulturtechnik
sozial vermittelt werden. Kulturtechniken wie Schreiben und Lesen, wie
auch z. B. das Klavier- und Geigenspiel, werden von erfahrenen und
fachkompetenten Personen weitergeben, die zugleich wissen- und
könnengeleitet durch die Vermittlung von erprobten Aneignungs- und
Verwendungsstrategien Lernende vor Irrwegen und unökonomischen
Verfahrensweisen bewahren können. Dass Kinder sich Kulturtechniken, die
über Jahrhunderte hinweg entwickelt wurden, entdeckend und
selbstgesteuert aneignen könnten, ist eine Mär. Sich an den
Fachwissenschaften orientierende und auf individuelles Arbeiten
ausgerichtete Unterrichtskonzepte und Lehrwerke, darunter auch solche,
die interessengeleitet als "traditionell" und "gestrig"
abqualifiziert werden, zeigen im Übrigen längst, dass
Individualisierung, sprachsystematischer Unterricht von Anfang an und
Kreativität sich nicht ausschließen.
● Verfechter von »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« werben wie Professor Brügelmann für dieses Konzept: "Das konstruierende Schreiben von Wörtern erlaubt den Kindern, von Anfang an ihre eigenen Gedanken und Erfahrungen zu Papier zu bringen und damit anderen mitzuteilen. Auf diese Weise wird Schreiben frühzeitig als funktional erlebt. Diese persönliche Bedeutsamkeit der Schrift stärkt die Motivation zu schreiben."
(www.grundschulverband-bayern.de/files/stellungnahme_phon._schreiben.pdf/Stand
31.07.2013)
Es gibt Eltern und Lehrer/innen, die davon berichten, dass solche Schreibungen noch in Klasse 2 durchaus keine Einzelfälle sind: 'UT RE H DAZ' oder 'RÄN SE AP'. (Beispiele aus: Prof. Dr. Ch. Röber: 'Die Leistungen der Kinder beim Lesen- und Schreibenlernen/Grundlagen der silbenanalytischen Methode. Hohengehren 2009) Fremdleser sind kaum bzw. meistens nicht mehr in der Lage, solche Wörter/Texte, die nach Brügelmanns Prinzip des "konstruierenden Schreibens von Wörtern" verschriftet wurden, in gesprochene sinngebende Wörter/Texte zurückzuübersetzen, das können oft sogar die schreibenden Kinder auch nicht mehr. Schon nach wenigen Tagen sind sie jedoch regelmäßig nicht mehr in der Lage, sich daran zu erinnern, was sie mit Verschriftungen wie z. B. 'VAKATEN' oder 'FAHUN' wohl gemeint haben könnten. Wir Eltern fühlen uns nicht ernst genommen, wenn Brügelmann uns erklärt, nach dem mehr als fragwürdigen Konzept seien Kinder in der Lage, "von Anfang an ihre eigenen Gedanken und Erfahrungen zu Papier zu bringen und damit anderen mitzuteilen". Kinder, die so schreiben, wie oben gezeigt, erleben keineswegs das Schreiben "frühzeitig als funktional", sie erkennen so auch nicht die Bedeutsamkeit der Schrift. Dass ihre Motivation zu schreiben nach etlichen fehlgeschlagenen Kommunikationsversuchen gestärkt würde, ist undenkbar. Wir Eltern erwarten von der Institution Schule keine schönen Beschreibungen von herbeigewünschten Lernprozessen und erhofften Lernerfolgen - wie etwa Professor Brügelmann sie uns (oben) anbietet: Wir erwarten vielmehr, dass die Institution Schule unseren Kindern Lese- und Schriftkompetenz vermittelt, und zwar dies von Anfang an.
● Der Unterricht muss selbstverständlich auch den Erkenntnissen aus der Hirnforschung verpflichtet sein: Prozedurales Lernen erfordert sehr viel Übung, und erst wiederholtes Üben führt zu einer starken Konsolidierung des Erworbenen. Diese Regel gilt für alle prozeduralen Lernprozesse, auch für das Lesen und Schreiben. So ist es nicht ratsam, erst etwas Leichtes, aber Falsches zu lernen. Der bessere Weg ist, sofort das Richtige zu lernen, auch wenn dieser zunächst als schwieriger erscheint. Wenn man Kinder zunächst frei schreiben lässt und erst später die Rechtschreibung vermittelt, spricht das gegen sicheres Wissen in der Hirnforschung: »Umkehrlernen dauert länger und erhöht die Fehlerquote.« Einmal gelernte Routinen sind kaum mehr abzutrainieren. Auch dies ist zu bedenken: Lehrer/innen berichten davon, dass sich den Kindern beim Konstruieren von Schreibungen der gefundene 'Lösungsweg' und das in intensivem und mühevollem Konstruktionsprozess gewonnene Ergebnis in besonderem Maße dann einprägen, wenn sie durch entsprechende Signale das Bemühen der Kinder z. B. als "Prima!" bewertet haben. Eine solche Belobigung, so haben sie sich inzwischen bei der pädagogischen Psychologie vergewissert, wirkt sich verstärkend auf die Speicherung im Langzeitgedächtnis aus: Auch falsch Geschriebenes wird so gut behalten. Wir Eltern erwarten, dass Kinder in ihrer Lernmotivation ernst genommen werden. Kinder sind nämlich durchaus nicht überrascht, wenn ihr(e) Lehrerin/Lehrer sie auf Abweichungen von der 'Erwachsenenschrift' aufmerksam macht. Sie sind vielmehr stolz darüber, dass die Lehrerin/der Lehrer ihnen zeigt - und sie dabei lernen können -, wie Erwachsene ein bestimmtes Wort nach den vereinbarten Schreibregeln richtig schreiben. Der Hirnforscher Prof. Spitzer beschreibt, wie sich Kinder dann in Klasse 3 fühlen, wenn das nicht so abläuft: "Und damit sind die Kinder ab der 3.1 erstens gefrustet, weil das, was vorher toll war, nun ganz furchtbar ist, ...". (Sendereihe PISAplus des Deutschlandfunks/PISAplus, 10.12.11 - Wie Kinder in der Grundschule Schreiben lernen/http://podcast.feedarea.de/podcast290236_dradio-PisaPlus_episodenseite_37.html) Es kann nicht richtig sein, dass Kinder in Klasse 3, die nach falschen Schriftspracherwerbskonzepten unterrichtet wurden, nicht nur über eine höchstens dürftige Rechtschreibkompetenz verfügen: Ihnen ist zusätzlich auch noch die Motivation abhanden gekommen, jetzt auch noch die richtige Rechtschreibung lernen zu müssen.
● Kinder,
die nach den Prinzipien »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der
Anlauttabelle« unterrichtet werden und dabei zurückbleiben,
werden, wie bereits erwähnt,
"den Anschluss an das Lernen der Sekundarstufe nur mit Mühe finden und
mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen Ende der Pflichtschulzeit zur
Risikogruppe zählen." (Schwippert/Bos/Lankes:
Heterogenität und Chancengleichheit am Ende der vierten Jahrgangsstufe
im internationalen Vergleich. 2003) Lehrer/innen
an weiterführenden Schulen weisen immer wieder darauf hin, dass die
Anzahl der an Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten scheiternden Kinder
nicht unerheblich ist. Der falschen Didaktik auch weiterhin folgend,
sind nämlich regelmäßig dann auch die Diagnose- und Förderprogramme
konzeptionell an die Verfahren gebunden, an denen die Kinder schon
einmal gescheitert sind. Besorgte Eltern, die
Defizite beim Schriftspracherwerbsprozess ihres Kindes bemerken, werden
oft von Lehrern/Lehrerinnen vertröstet: "Geduld! Eines Tages platzt der
Knoten noch! Ihr Kind lernt nur langsamer als die anderen". Es muss
rechtzeitig hinterfragt werden, warum manche Kinder 'langsamer' lernen
als andere, denn es gibt eine Vielzahl von Ursachen für das Phänomen
'langsames Lernen', die zu einer Ausbildung von
Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten und Lese-/Rechtschreibstörungen
führen können. Es darf nicht sein,
dass die sogenannten 'langsam' lernenden Kinder ohne gründliche
Diagnose jahrelang mit immer denselben Materialien, Wiederholungen und
stereotypen Abschreibübungen befasst werden und sie beim Freien
Schreiben über die Maßen fehlerhafte Wörter/Texte produzieren dürfen,
deren Korrektur durch Eltern jedoch auf oft lange Zeit sogar verboten
ist. Eine bekannte sog. 'Rechtschreibwerkstatt' verfolgt als Reparaturprinzip: »Schreib, wie du sprichst! Sprich deutlich und
hochdeutsch!«: Hier stößt man gleich auf drei sich schädlich
auswirkende Regeln: auf die 'Schreib, wie du sprichst!'-Regel, auf die
'Sprich-deutlich!'-Regel (auch für das Kind mit Sprach-/Hörfehler)
sowie auf die 'Sprich-hochdeutsch!'-Regel, die auch bei Kindern mit nicht-deutschsprachigem
Hintergrund und mitdialektgefärbter Aussprache (u. U. auch mit noch
anderen sonstigen regional- auch familienspezifischen sprachlichen
Beeinträchtigungen, auch grammatischer/syntaktischer Art) Anwendung
finden soll. Welchem Kind könnte auch nur eine dieser drei Regeln
helfen?
● Das Prinzip der Selbstbestimmung,
das "heute im Offenen Unterricht gilt, führt oft zur Überforderung der
jüngeren Kinder. Gerade sie sind noch auf ein hohes Maß an
Unterrichtsführung durch den Lehrer angewiesen. Der Lehrer muss den
Unterricht immer wieder transparent machen, die verbindlichen
Unterrichtsziele erklären, Arbeitsanweisungen geben sowie detailliert
in Arbeitstechniken einführen. Im Zusammenhang mit der
Unterrichtsführung soll der Unterricht in der Grundschule nach den
vorliegenden Befunden aus der Wissenschaft eher traditionell gestaltet
werden, wobei die Kinder aber kontinuierlich an mehr Selbstständigkeit
herangeführt werden müssen, damit auch Lernziele 'höherer' Ordnung, die
sogenannten Schlüsselfunktionen, mit der Zeit beherrscht werden." (Dagmar
Tews: Der sogenannte Offene Unterricht vor dem Hintergrund
schultheoretischer, curricularer und psychologischer
Kriterien“. Kiel 2000) Das
gilt für alle Kinder, nicht nur für die leistungsschwächeren Kinder
oder für Migrantenkinder. Zunehmend
beklagen Lehrer/Innen zu Recht die wachsende Unselbstständigkeit bzw.
sogar die völlig fehlende Selbstständigkeit bei den eingeschulten
Erstklässlern sowie ihre mangelhaften selbstregulativen Fähigkeiten. Völlig unverständlich für uns Eltern ist daher,
dass viele Lehrer/Innen dennoch ohne Bedenken
schon zu Beginn der ersten Klasse in zentraler Funktion Methoden und
Arbeitsmittel einsetzen, von denen es heißt, dass Kinder sich damit den Weg in die
Schriftsprache weitgehend selbstständig erarbeiten könnten. Das ließe sich
auch so formulieren: Schon zu Beginn des Anfangsunterrichts werden zum
erfolgreichen Lernen bei allen Kindern gleichermaßen Kompetenzen
vorausgesetzt, die sie aber erst noch erlernen sollen/müssen. Der
Erziehungswissenschaftler Prof. Hattie fand mit seiner weltweit viel
beachteten Studie - jüngst veröffentlicht - heraus, dass Offener
Unterricht unwirksam ist. Bezüglich des Offenen Unterrichts ging es bei
der Studie um einen Vergleich der Wirksamkeit ungelenkter und
vermeintlich erleichternder sowie andererseits gelenkter und fordernder
Methoden. Gerade im schriftsprachlichen Anfangsunterricht muss die
Lehr-/Lernorganisation auf dialogisches Lernen ausgerichtet sein. Die
besten Chancen auf einen erfolgreichen Schriftspracherwerb haben Kinder
dann, wenn sie von Anfang an dabei unterstützt werden, die
Funktionsweise des Schriftsystems zu lernen. Die Auffassung, der
Schriftspracherwerb folge natürlichen Entwicklungsschritten, ist eine
falsche Voraussetzung für erfolgreichen Schriftspracherwerbsunterricht.
● Wir halten es für selbstverständlich, dass schon recht bald im Anfangsunterricht Fehler korrigiert werden: in einer den Kindern angemessenen, keineswegs verletzenden Manier! Die Korrektur wäre jedoch umsonst, folgten Lehrer jetzt nicht der Lebensweisheit "Aus Fehlern lernt man!" Was könnte man schon aus Fehlern lernen, wenn nicht daran gearbeitet wird? Aus den Fehlern muss eine gezielte individuelle Unterstützung nach sprachsystematischen Gesichtspunkten abgeleitet werden. Die immer lauter werdenden Rufe nach Individualisierung dürfen nicht zu Floskeln erstarren. In Mode gekommen ist, mit Hilfe von vorgefertigten Materialien, vor allem mit Lernkärtchen, zu 'individualisieren'. Eine kostspielige Variante von Unterricht! Begabtere und sprachstarke, spracharme, sprachfremde, leistungsschwache und lernschwierige Kinder sind mit solcher Einheitskost ebenso wenig gut bedient wie Diabetiker, Hochdruckkranke, Allergiker, Nierenkranke, Magenkranke und Leberkranke mit einer Einheitsdiät. Lehrer/innen, die sich damit begnügen, den Kindern die korrigierten Schreibversuche/Texte lediglich als stumme Rückmeldung anzubieten, hätten sich Ihre Korrektur auch ersparen können: Der Lernzuwachs liegt so bei Null.
● Damit wir nicht missverstanden werden: Wir lehnen das 'Freie Schreiben' derjenigen Strömung in der sog. modernen Didaktik ab, die ihr Hauptaugenmerk nicht auf das Schreibprodukt, sondern vorrangig auf den Schreibprozess richtet, der ausschließlich unter den Aspekten der Selbstbestimmtheit, der Spontaneität und der Kreativität beurteilt wird. Texte dürfen dabei - oft über Jahre hinweg - zu selbstbestimmten Zeiten, auf selbstbestimmte Weise und unbeeinflusst vom Regelwerk der Orthographie oder der Grammatik verfasst werden. Gegen 'Freies Schreiben' im Sinne des 'Kreativen Schreibens' ist überhaupt nichts einzuwenden, solange die in dieser Anlage insgesamt aufgezeigten Bedingungen stimmen.
● Unstrittig ist, dass Abschreibkompetenz nicht gleich Rechtschreibkompetenz ist (Löffler/Füssenich in: Schriftspracherwerb. München und Basel 2005) So verweisen die Deutsch-Didaktikerinnen Ingrid Naegele/Prof. Dr. Renate Valtin darauf, dass viele schwache SchreiberInnen erfolgreich abschreiben können, ihnen aber diese Übungsform beim Erwerb von Rechtschreibregeln nicht viel nützt. (Schulische Förderung und außerschulische Therapien,.Weinheim/Basel 2000) In PÄDAGOGIK, Heft 1/01 bekräftigen sie: "Da viele SchülerInnen mit Rechtschreibproblemen vorzüglich abschreiben können, nützt ihnen diese Übungsform nichts. Der Gedanke, der dahinter steht, ist der einer veralteten Wortbildtheorie." Sandra Deneke fand in einer Studie heraus, dass selbst für Schüler mit unterdurchschnittlicher Intelligenz das fehlerfreie Abschreiben kein Problem ist. In einem Gutachten für den Schüler N. heißt es dann beispielsweise: „Leistungen in Lesen, Schreiben und Rechtschreiben werden laut Gutachten als unterdurchschnittlich bezeichnet. Stärken sind im Abschreiben, einer sauberen Handschrift sowie dem Auswendiglernen von Gedichten zu verzeichnen.“ (aus: Dr. Sandra Deneke: Konstruktionen über Schriftsprache und Schriftsprachlernen. Hannover 2006) Leider gibt es immer noch Lehrer, die Eltern erklären: "Indem Kinder Texte abschreiben, lernen sie die orthografisch richtige Schreibung kennen."
●
Unsere Kinder sind rechtzeitig mit den Anforderungen
verschrifteter kommunikativer Texte vertraut zu machen. Schon zeitig in der Grundschule müssen Kinder
lernen, dass man mit Texten bestimmte Absichten verfolgen kann, dass
Texte sich an (konkrete) Adressaten richten, dass Texte nicht "auf
selbstbestimmte Weise“ und "irgendwie" geschrieben werden dürfen, dass
Texte nicht einfach nur Texte sind, die z. B. folgenlos im Papierkorb
enden. Schon Kinder in der Grundschule müssen zunehmend die Einstellung
internalisieren: Das, was ich – jetzt oder später -in
einer bestimmten Absicht an einen Kommunikationspartner schreibe, muss
diesen ansprechen/erreichen und diesem zumutbar sein: Der Text muss
einer bestimmten Form entsprechen (Ordnung, Sauberkeit), er muss
verständlich sein (Rechtschreibung, Wortwahl, Satzbildung,
Aufbau, erkennbare Schreibabsicht) er muss lesbar sein (lesbare
Schrift). Und auch das sollen Kinder beizeiten wissen: Texte sagen in
vieler Hinsicht stets auch etwas über den Verfasser und dessen
Verhältnis zum Empfänger aus, und - mit ihren Texten können sie
Reaktionen herausfordern. Nur so können unsere Kinder Sprachhandlungs-/Kommunikationskompetenz als
soziale Handlungskompetenz erwerben.
Den weiterhin
hohen Stellenwert der Schriftkompetenz, auch im 21.
Jahrhundert noch, versuchen die Vertreter von »Schreibenlernen 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle« - darunter auch der bedeutendste Vertreter des
Spracherfahrungsansatzes Brügelmann - immer wieder
herunterzuspielen. Auch diese Überzeugung Brügelmanns teilen wir nicht,
dass Korrekturprogramme auf dem PC in der Lage seien, in Texten die
inkorrekte Rechtschreibung/Zeichensetzung und Grammatik sowie den
fehlerhaften Satzbau schlüssig zu überarbeiten. Auf seiner Homepage
gibt Prof. Brügelmann dem Bundesgeschäftsführer
der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule und Verfechter von LdS,
Michael Hüttenberger, die Gelegenheit, ihn in dieser seiner Position zu
unterstützen. Wohin letztendlich die Reise gehen soll, erklärt dieser
dabei ohne Umschweife: dass nämlich “Selbsttätigkeit,
Selbstbestimmung, Selbstbewusstsein, Kreativität, Fantasie wichtigere
Werte in dieser unseren demokratischen Gesellschaft sind als
normgetreues Rechtschreiben können“. (http://db.tt/W3eOj6Z2/Homepage Brügelmann/Stand: 01.08.2013)
Normgetreues
Schreiben ist indes kein Selbstzweck, sondern erleichtert Verständigung
und Verstehen: Das geschriebene Deutsch ist ein überregionales
Verständigungsmittel, das als solches der Vereinheitlichung bedarf. Die
traditionelle gesellschaftliche Wertung der Rechtschreibung lenkt von
der eigentlichen Aufgabe der Rechtschreibung ab. Rechtschreibung
erfüllt nämlich eine eher «technische» Aufgabe: Sie soll die
störungsfreie Verarbeitung von Geschriebenem durch unser Gehirn
sicherstellen. (Nach: Peter Gallmann, Professor für
Deutsche Sprache der Gegenwart (Grammatik) & Horst Sitta, Professor
für Deutsche Sprache und ihre Didaktik: Handbuch Rechtschreiben. Bern 1996)
Die Anforderungsprofile in den
Stellenanzeigen belegen immer wieder den Grad der Weltfremdheit und
ideologischen Verwirrtheit der von diesen Reformpädagogen vertretenen
reformpädagogischen Maximen, in den Annoncen lesen wir nämlich etwas
ganz anderes: „Die
Bewerber/innen müssen über gute Deutsch- und Mathematikkenntnisse
verfügen.“ Spätestens bei der Berufssuche wie auch
bei späteren angestrebten beruflichen Neuanfängen wird dann deutlich,
wie diese Art von Reformpädagogik Menschen wegen ihrer nicht
hinreichenden Rechtschreibkenntnisse ausschließt von der Möglichkeit, selbstbestimmt den an sich
angestrebten Beruf auszuwählen. Somit wohnt dieser 'fortschrittlichen
Pädagogik' auch das Potential inne, das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein zu beschädigen: "Wer
orthographische Defizite aufweist, verringert nicht nur seine Chancen
in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, sondern baut unter Umständen
sogar große Barrieren für seine Persönlichkeitsentwicklung auf." (Prof. Katja Siekmann/Prof. Günther Thomé:
Der orthographische Fehler. Grundzüge der orthographischen
Fehlerforschung und aktuelle Entwicklungen. Oldenburg 2012)
Die
von Brügelmann und Hüttenberger als die wichtigeren Werte als die
Rechtschreibkompetenz eingeschätzten Kompetenzen in Kreativität und Fantasie helfen dann
auch nicht weiter. Die
Annahme, dass solche reformpädagogischen Entwicklungen "unserer
demokratischen Gesellschaft" nützen
könnten, halten wir für absurd. Vor dieser Art von Reformpädagogik des
Prof. Brügelmanns und M. Hüttenbergers, so sind wir überzeugt, müssen
wir unsere Kinder bewahren: Sie sind geeignet, die beruflichen
Perspektiven unserer Kinder erheblich zu beeinträchtigen und deren
Lebensbiographien negativ zu beeinflussen, vielleicht sogar zu
ruinieren.
●
"Schriftkompetenz war
eine Spezialfähigkeit, die zur Herrschaftsausübung gehörte und deswegen
Eliten vorbehalten war. So betrachtet hat die Fähigkeit zur
Schriftnutzung den Effekt gehabt, Herrschaft zu erhalten und zu erhöhen."
(Peter Stein: Schriftkultur. Eine
Geschichte des Lesens und Schreibens. Darmstadt 2006) Der Slogan
"Rechtschreibwissen ist
Herrschaftswissen" und sei als "elitäres
Wissen zu verabscheuen", da es schon immer als
Herrschaftsinstrument der herrschenden Klasse missbraucht werde, hielt
nach den 68er Jahren Einzug in die Schulen. In einem gewissem Sinne
hatten die 68er mit ihrer Parole schon Recht, nur zogen sie daraus die
falschen Schlüsse. Die Folge aus ihrer Erkenntnis "Rechtschreibwissen
ist Herrschaftswissen" hätte sein müssen, verstärkt auf eine schulische Ausbildung zur bestmöglichen Lese-
und Schreibkompetenz zu setzen, um
Kinder darauf vorzubereiten, als mündige Bürger später mit dieser
"Spezialfähigkeit" zur "Herrschaftsausübung" kompetent
umgehen zu können. Kindern Lese- und
Schreibkompetenz zu vermitteln ist Ausbildung zu Demokraten. Es wird so bleiben: Schriftkompetenz ist auch
weiterhin ein bedeutendes Instrument der Herrschafts-/Machtausübung -
in allen möglichen, auch in halbprivaten und sogar in privaten
Lebensbereichen. Anträge, Verträge, Ankündigungen, Aufforderungen etc.
wird der eher weniger lesekompetente Leser oft nicht verstehen können
oder missdeuten. Geht mit einer defizitären Lesekompetenz eine
mangelhafte bzw. unzureichende Formulierungs- und Rechtschreibkompetenz
einher, findet sich der in seiner Schriftkompetenz Restringierte schon
bald in der - je nach Fall und Situation unterschiedlich ausgeprägten -
Verliererrolle. Es ist hinreichend bekannt, dass Menschen, die in ihrer
Schreibkompetenz Defizite haben, oft genug ihre Rechte nicht
wahrzunehmen imstande sind oder aus Scham darüber, jemand könne sich
über ihre schriftlichen Einlassungen belustigen, darauf verzichten. Wir
wollen nicht, dass unsere Kinder dazugehören.
Wir Eltern fordern eine Schule, die Chancengerechtigkeit gewährleistet, die als 'humane' und 'demokratische' Schule zukunftswirksam tätig ist, die mit einem Höchstmaß an tatsächlicher Individualisierung, u. a. durch den Einsatz wirksamer alters- und kindgemäßer Unterrichtsformen und ebensolcher Lehr-/Lernmittel, den Unterricht gemäß dem aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft gestaltet, die kein Kind zurücklässt, sondern sich fürsorglich um jedes einzelne Kind kümmert, die jedes ihr anvertraute Kind fordert und fördert, die alle Kinder darauf vorbereitet, als gebildete und gut ausgebildete, als mündige und wachsame - als kompetente Bürger - für sich, für andere sowie für unsere Demokratie Verantwortung übernehmen zu können. Zum kompetenten Bürger gehören, davon sind wir überzeugt, in erster Linie auch die bestmögliche Lese- und Schreibkompetenz.
>>> Eine
weiterführende Argumentation findet sich in Elternbrief Nr. 13